Die International Unit (IU) des Klinikums Stuttgart blieb auf Forderungen in Millionenhöhe sitzen und ist mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konfrontiert. Einen maßgeblichen Anteil am Defizit des Klinikums hat also die von Andreas Braun, ehem. Landesvorsitzender Grüne, geleitete IU. Er und der damalige Geschäftsführer Dr. Schmitz konnten offensichtlich ohne jede Kontrolle und ohne jede politische Steuerung schalten und walten wie sie wollten, solange er dem defizitären Klinikum IU-Einnahmen in Aussicht stellen konnte.
„Neben der politischen Verantwortung müssen die strukturellen Ursachen für das Versagen jeglicher Kontrollinstanz thematisiert werden“, sagt Thomas Adler, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS.
„Werner Wölfle hat keinen signifikanten Beitrag zur Aufklärung seiner Rolle als verantwortlicher Krankenhausbürgermeister in diesem Skandal geleistet. Er hat zu verantworten, dass sich unter seiner Leitung in der IU-Spitze nahezu unbehindert ein System von Korruption, Abrechnungs-Betrug, Auslandsbestechung, Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung, Untreue und Urkundenfälschung entwickeln konnte. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten hätten für ihn Anlass für eine massive Intervention sein müssen und wurden überhaupt nicht mit aller Konsequenz verfolgt“, so Hannes Rockenbauch, Fraktionssprecher von SÖS LINKE PluS.
Diese Einschätzung ergibt sich sowohl aus der Akteneinsicht unserer Stadträte als auch aus den Antworten der Verwaltung auf Gemeinderatsanfragen.
Nach ausführlichem Studium der Unterlagen und der Diskussion im heutigen Krankenhausausschuss ist, neben vielen andern Fragen, die der politischen Verantwortung nach wie vor nicht abschließend geklärt. Dass der Amts-Vorgänger von Werner Wölfle und heutige Staatsminister Klaus Peter Murawski mit seiner Behauptung, von einem Kuwait-Geschäft sei erst nach seinem Amtswechsel die Rede gewesen, nachweislich die Unwahrheit gesagt hat, gibt Anlass zu größter Skepsis. Daher müssen auch die Darstellungen der Abläufe in der IU durch die Bürgermeister Werner Wölfle und Michael Föll äußerst kritisch betrachtet werden.
„In seiner Funktion als Krankenhausbürgermeister ist Werner Wölfle seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht gegenüber dem Klinikum nicht gerecht geworden. Er hat zudem die Rechte des Krankenhausausschusses verletzt, indem er unzureichend oder gar nicht informiert hat“, so Thomas Adler „es gab vielmehr ein System intensiven angestrengten Wegschauens und Nicht-Wissen-Wollens. Dafür ist er verantwortlich und kann sich nicht hinter seinem Ressortwechsel verstecken“.
Zudem müsse man sich fragen, ob diese fatalen Fehlentwicklungen am Klinikum nicht auch den für die Eigenbetriebe der Stadt verantwortlichen Finanzbürgermeister früher hätten veranlassen müssen, im Klinikum einzugreifen. Oder wollte auch er – genau wie der Krankenhausbürgermeister – nichts genau wissen, solange wie er es nicht musste.
Teile der politischen Verantwortung tragen auch die Fraktionen im Gemeinderat, die im Jahr 2005 mit Änderung der Betriebssatzung die Abkopplung der Geschäftsführung des Klinikums von politischer Steuerung durch Stadt und Gemeinderat betrieben hatten. Im Rahmen der Änderung der Betriebssatzung wurde für das Klinikum eine umfassende Kompetenzverschiebung von der Stadt und dem Gemeinderat zur Klinikums- Geschäftsführung beschlossen. „Damit wurden die Voraussetzungen für diesen Kontrollverlust über die IU geschaffen“, fasst Thomas Adler die Entscheidung aus dem Jahr 2005 zusammen. „Zusammen mit dem Personalrat waren wir damals auf weiter Flur die einzigen, die sich dagegen ausgesprochen haben“, betont Adler.
Es müssen Konsequenzen folgen
„Der materielle und mehr noch der moralische Schaden für Stadt und Klinikum ist so immens, dass es hier auch strukturelle Konsequenzen geben muss“, fasst Adler die Situation zusammen.
Es müsse jetzt darum gehen, die Strukturen und Entscheidungsprozesse zwischen Bürgermeister, Gemeinderat und Klinikum so neu zu ordnen, dass das städtische Klinikum wieder transparent und kontrollierbar nach gesteuert werden kann. Es müssen gesundheitspolitische anstatt rein ökonomische Maximen von Stadt und Gemeinderat zum Wohl der Beschäftigten und Patient_innen gelten.
Das heißt zuallererst, dass die Satzungsänderung von 2005 korrigiert und eine umfassende Berichtspflicht der Geschäftsführung an Träger und Krankenhausausschuss festgelegt werden muss.
Zudem müssten Zugriffs- und Durchgriffsrechte des Rechnungsprüfungsamts (RPA) auf die Eigenbetriebe und Beteiligungen der Stadt Stuttgart drastisch ausgeweitet werden. „Das müssen wir dringend neu regeln. Es kann nicht sein, dass Eigenbetriebe wie das Klinikum dem RPA falsche und unvollständige Zahlen übermitteln“, so Hannes Rockenbauch.
Der von Bürgermeister Föll favorisierte Vorschlag, das Klinikum in eine Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts mit Verwaltungsrat umzuwandeln, lehnt die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS kategorisch ab. Wenn dies umgesetzt würde „dann passiert das Gegenteil von dem, was für ein städtisches Klinikum notwendig ist: die Kontrollmöglichkeiten durch Politik und Öffentlichkeit würden noch weiter eingeschränkt“, erläutert Thomas Adler.
Die Konsequenz aus dem erlebten Kontrollverlust müsse sein, dem Klinikum weiter als Eigenbetrieb zu betreiben, aber mit geänderter Betriebssatzung. „Controlling, Innenrevision und Wirtschaftsprüfung müssen wieder beim Referat liegen damit solche Vorgänge wie in der International Unit in Zukunft ausgeschlossen werden“, fordert Adler. Die abgebauten qualifikatorischen und personellen Ressourcen im Krankenhaus-Referat müssten wieder auf den Stand vor dem Jahr 2005 gesetzt werden und eine Berichtspflicht an den zuständigen Krankenhausausschuss eingeführt werden.
„Und eines muss absolut klar sein: die Beschäftigten des Klinikums machen unter schwierigen Bedingungen hervorragende Arbeit. Sie dürfen nicht mit Sparpaketen belastet werden, weil einige wenige Führungskräfte und politisch Verantwortliche hier versagt haben“, fordert Thomas Adler mit Blick auf die Belegschaft des Klinikums.