Mit dem gestrigen Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird klar, dass Fahrverbote bei überhöhten Stickstoffdioxidwerten von der Stadt angewendet werden müssen. Darüber hinaus sind jetzt auch die Rechtsgrundlagen für effektive Maßnahmen zur Luftreinhaltung gerichtlich geklärt. Die Einführung der Blauen Plakette auf Bundesebene sei nicht entscheidend, vielmehr biete das Immissionsschutz- und Straßenverkehrsrecht bereits heute schon entsprechende Grundlagen, so das Gericht in seiner Stellungnahme.
„Es ist beschämend, dass jetzt Gerichte das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit durchsetzen müssen“, kommentiert Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS das wegweisende Urteil. „Jetzt gibt es keine Ausreden mehr; auch in Stuttgart muss die Gesundheit der Bürger_innen oberste Priorität haben“, fordert Rockenbauch.
„Über viele Jahre hat die Stadt die Hände in den Schoß gelegt. Darunter leiden alle Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Es ist ein Skandal, dass Gerichte der Politik vorschreiben müssen, was sie zum Schutz der Gesundheit zu tun habe“, kritisiert Thomas Adler, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS die Untätigkeit der Stadt. „Das ist ein Armutszeugnis für den politischen Gestaltungswillen des Gemeinderats und des Oberbürgermeisters“, fasst Adler die Grundsatzkritik zusammen.
Bereits vor elf Jahren hatte Hannes Rockenbauch einen ganzen Katalog von Maßnahmen zur Luftreinhaltung gefordert. „Schon damals habe ich mich für eine ganze Reihe von Maßnahmen wie Fahrverbote, eine LKW-Mautpflicht, eine Reduzierung des automobilen Verkehrsaufkommens und einen Ausbau des ÖPNV eingesetzt. Es ist beschämend, dass weder Gemeinderat noch Oberbürgermeister etwas davon umgesetzt haben. Die Quittung für diese Untätigkeit bekommen sie jetzt von den Gerichten“, erläutert Rockenbauch seine Position. Diese Forderungen hat die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS seitdem wiederholt, verfeinert und konkretisiert. Umgesetzt wurde von den Vorschlägen bislang wenig bis nichts, was sich jetzt räche. „Erst vor Kurzem hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn auf unsere Initiative hin von den Rechtsgrundlagen für Fahrverbote erfahren; an diesem Beispiel zeigt sich doch, wie wenig Interesse der OB am Gesundheitsschutz hat“, erläutert Adler die Untätigkeit der Verwaltungsspitze.
„Die Stadt hat die Kompetenz die Bürgerinnen und Bürger vor Feinstaub und Stickoxiden zu schützen, redet sich aber seit Jahren raus. Mit einem freiwilligen Verzicht aufs Auto bei Feinstaubalarm haben wir nichts erreicht, die laufenden und geplanten Maßnahmen sind viel zu lasch. Jetzt müssen alle Optionen auf den Tisch, Fahrverbote eingeschlossen“, fordert Thomas Adler. „Ansonsten entscheiden Gerichte und die Politik verkommt zum Umsetzungsorgan gerichtlicher Urteile“, fasst Adler die Konsequenzen des Urteils zusammen.
„Die Freiheit des einen muss dort enden, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird – beim Thema Luftreinhaltung muss dieser Grundsatz auch gelten. Die Abwägung zwischen Gesundheit und automobilem Verkehr muss zu dem Ergebnis kommen, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher steht. Nach dem Verursacherprinzip müssen bei überhöhten Stickoxidwerten zumindest die Diesel-PKW aus dem städtischen Verkehr gezogen werden“, erläutert Fraktionssprecher Rockenbauch.
„Wir sehen eine beispiellose Konzeptlosigkeit bei Stadt und Land, wenn es um die Frage der Verkehrswende geht. Neben den Gesundheitsgefahren durch Abgase müssen wir uns auch die Frage stellen: gehört die Stadt den Autos oder den Menschen?“, ergänzt Thomas Adler. „Jetzt müssen sich Gemeinderat, Oberbürgermeister und das Land positionieren und handeln“.