ANTRAG: Darlehensrückzahlungen von ALG-II-Beziehern auf maximal 10% des Regelsatzes und auf eine Laufzeit von 18 Monaten begrenzen.
Anfang September hatte die Liga der Wohlfahrtspflege das Stuttgarter Jobcenter wegen seiner strikten Praxis bei der Tilgung von Darlehen kritisiert. Wenn ALG-II-Bezieher einen größeren Geldbetrag z.B. für Mietkaution oder Beschaffung von Waschmaschinen, Möbeln etc. benötigen, erhalten sie vom Jobcenter auf Antrag ein Darlehen, das sie in monatlichen Raten tilgen müssen. Vom Jobcenter Stuttgart werden Tilgungsraten von 30% des Regelbedarfs zur Rückzahlung (meist mehrerer) Darlehen festgesetzt.
Zur Veranschaulichung: Der ALG II-Regelsatzes, beträgt monatlich 399€ für Alleinstehende. Im Falle einer Tilgungsrate von 30% für die Rückzahlung des Darlehens, hat der Hartz-IV-Bezieher im Monat nur noch 279,30€ für Essen, Strom, Kleidung, Anschaffungen, Reparaturen, Mobilität, Kultur etc. zur Verfügung, das sind 70€ in der Woche. Der Regelsatz gilt bereits als Existenzminimum, von einem um 30% gekürzten Geldbetrag kann man in Stuttgart nicht leben, auf keinen Fall menschenwürdig leben.
Nach §42a SGB II, Absatz 2 gilt: „Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. …“ Hierbei ist allerdings nichts darüber ausgesagt, dass dies auch für mehrere Darlehen gilt. Auch das Sozialministerium soll dem Jobcenter empfohlen haben, die Tilgungsgrenze auf 10% zu begrenzen, es betonte aber, es könne das Jobcenter nicht dazu zwingen. Das Jobcenter Stuttgart argumentiert gemäß den Stuttgarter Nachrichten vom 15.9.15, dass es aus dem Verbund der kommunalen Träger nicht ausscheren wollte und den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit folge. Gemäß dieser Empfehlung hat es bis zu 30% des Existenzminimums einbehalten. Eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit wurde in der Stuttgarter Zeitung vom 12.9.15 in diesem Zusammenhang wie folgt zitiert wird: „Das Jobcenter Stuttgart ist rein kommunal. Wir sind da gar nicht weisungsberechtigt“.
Die Äußerungen unterschiedlicher Vertreter_innen von Landessozialministerium, Bundesagentur für Arbeit und Jobcenterleitung legen nahe, dass es einen Ermessensspielraum des Jobcenters Stuttgart in dieser Frage gibt.
Wir fragen daher:
- Gibt es eine rechtliche Grenze in Höhe von maximal 10% des Regelsatzes?
- Auf welcher rechtlichen Basis darf bis zu 30% des Regelbedarfs für die Tilgung von Darlehen abgezogen werden?
- Warum hat das Jobcenter Stuttgart diese Regelung mit 30% restriktiv zu Lasten der ALG-II-Bezieher_innen gehandhabt?
- Ist es richtig, dass das Jobcenter Stuttgart als kommunale Behörde nicht Weisungen der Bundesagentur für Arbeit unterliegt?
Wir beantragen:
- Das Jobcenter Stuttgart behält ab sofort bei Darlehensrückzahlungen die Grenze von maximal 10% des ALG-II-Regelsatzes ein.
- Die Tilgungszeit wird – im Falle von anhaltendem ALG-II-Bezug – pro Darlehen auf maximal 18 Monate begrenzt, die Restschuldbeträge übernimmt in diesen Fällen das Jobcenter, da der ALG-II-Regelbetrag bereits als Existenzminimum definiert ist. Es muss verhindert werden, dass ALG-II-Bezieher in eine unzumutbar lange Phase fortdauernder Schuldenabzahlung geraten. Im Falle einer Arbeitsaufnahme bedarf es keiner Begrenzung der Tilgungszeit.
- Bis zur nächsten Ausschusssitzung des WA am 2.10.2015 erstellt das Jobcenter Stuttgart eine Kostenabschätzung bezüglich einer zeitlichen Begrenzung der Tilgungsraten auf 10% bei gleichzeitiger Begrenzung der Tilgungszeiten auf 18 Monate und schlüsselt zudem auf, wie sich die Anteile der 7000-Hartz-IV-Bezieher mit Sollstellungen aufteilen nach Schulden durch Darlehen für unabwendbaren Bedarf, durch Nachberechnungen und durch Sanktionsmaßnahmen.