Antrag vom 10.09.2014 Nr. 232/2014
Nach dem Kartellamtsspruch zum überhöhten Trinkwasserpreis: Die EnBW muss jetzt die Karten über den Zustand des Trinkwassernetzes auf den Tisch legen!
Der spektakuläre Rohrbruch einer Trinkwasserleitung in Stuttgart-Kaltental war Anlass, dass SÖS und LINKE bereits am 19. September 2012 unter anderem nach dem Zustand des Trinkwassernetzes fragten (Antrag/Anfrage 292/2012).
Der damals noch amtierende Oberbürgermeister Schuster antwortete darauf im November 2012, dass der Verwaltung die erbetene EnBW-„Zustandsanalyse [des Trinkwassernetzes] nicht bekannt [ist]; einen Zugriff auf die Daten gibt es nicht. Die EnBW ist aus sicherheitlichen Erwägungen nicht dazu bereit, Angaben über den Verlauf und/oder den Zustand der Trinkwasserleitungen zu veröffentlichen. […]“.
Im August 2014 berichtete u. a. die Stuttgarter Zeitung, dass es allein im Bezirk Mitte innerhalb von vier Tagen vier relevante Rohrschäden gab.
Der Kauf des Trinkwassernetzes von der EnBW steht nach wie vor an. In welchem Zustand es ist, weiß aber objektiv nach wie vor nur die EnBW.
SÖS-LINKE-PluS will nach wie vor frühzeitige und belastbare Information für den Gemeinderat über den Zustand des Trinkwassernetzes. Diese Information braucht der Gemeinderat, denn das hat erheblichen Einfluss auf den Preis.
Nach dem bisherigen unkooperativen Verhalten der EnBW-Leitung in Sachen Wasserpreis-Festlegung und Wertermittlung des Wassernetzes halten wir es für dringend geboten, dass die Verwaltung von der EnBW die Herausgabe der bisher verweigerten Informationen fordert. Dass es erst eine Kartellamtsentscheidung zu den überhöhten Trinkwasserpreisen der EnBW bedurfte, unterstreicht dies.
Wer von Bürgerbeteiligung und Transparenz redet, darf gerade auch einem Unternehmen in öffentlichem Besitz nicht durchgehen lassen, dass ein Gutachten zur Trinkwassernetz-Bewertung womöglich erst kurz vor einer Kaufentscheidung bekannt gemacht wird. Und dann der Gemeinderat zum wiederholten Mal zu Entscheidungen in einem Spiel genötigt wird, wo die Karten unter dem Tisch gemischt wurden!
Antrag
- Die Stadt Stuttgart fordert von der EnBW nachdrücklich die Übergabe der Zustandsanalyse des Stuttgarter Trinkwassernetzes. Sie tritt an die Landesregierung heran und fordert sie als Haupteigentümer der EnBW auf, dies in den Gremien der EnBW in die Wege zu leiten.
- Sollte die EnBW den Forderungen der Landeshauptstadt nicht nachkommen, beantragen wir vorsorglich, dass die Stadt Stuttgart baldmöglichst ein eigenes Gutachten nach den einschlägigen Regeln der Technik beauftragt.
- Dazu gehören mindestens
- eine technische und monetäre Bewertung des Trinkwasser-Leitungsnetzes in einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung nach Leitungslängen-Anteilen mindestens mit den Merkmalen
- Alter der Leitung,
- Leitungs-Material,
- Rohrschadenhäufigkeiten in der Vergangenheit,
- monetärerer Restwert,
- erwartetes Ende der technischen Lebensdauer.
- Um z.B. nachvollziehbar zu machen, wieviel Prozent des Rohrnetzes in welchen Zeiträumen erneuert werden müssen und mit was für Kosten dafür zu rechnen ist
- eine technische und monetäre Bewertung der im Trinkwassernetz integrierten Einbauten wie Absperr-Armaturen, Rückschlagklappen, Sicherheitsventile, Entleerungen, Be- und Entlüftungs-Armaturen usw. in einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung mindestens mit den Merkmalen
- Alter der technischen Anlage,
- wichtige technische Merkmale der technischen Anlage,
- Schadenhäufigkeit in der Vergangenheit,
- monetärer Restwert,
- erwartetes Ende der technischen Lebensdauer,
- womit z.B. überprüfbar wird, wie hoch der erneuerungsbedürftige Anteil eingebauter Armaturen und die für die Stadtwerke dadurch entstehenden Erneuerungskosten sind
- eine technische und monetäre Bewertung der Speicher-, Pump-, Druckerhöhungsanlagen und aller weiteren für den Betrieb des Trinkwassernetzes erforderlichen technischen Einrichtungen in einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung mindestens mit den Merkmalen
- Alter der technischen Anlage,
- wichtige technische Kenn- und Ausführungsdaten der technischen Anlage,
- Schadenhäufigkeit in der Vergangenheit,
- monetärer Restwert,
- erwartetes Ende der technischen Lebensdauer,
- sowie
- eine technische und monetäre Bewertung der zum Betrieb des Trinkwassernetzes erforderlichen Grundstücke, Gebäude und Gebäudebestandteile in einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung mindestens mit den Merkmalen
- wichtige Kenndaten des Objektes (z. B. Standort, Grundstücksgröße, Gebäudegröße usw.)
- monetärer Restwert,
- absehbarer monetärer Instandhaltungs- und Erneuerungsbedarf zur Sicherstellung eines effizienten Betriebs nach den geltenden Regeln der Technik.
- eine technische und monetäre Bewertung des Trinkwasser-Leitungsnetzes in einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung nach Leitungslängen-Anteilen mindestens mit den Merkmalen
- Das Gutachten wird in einer öffentlichen, gemeinsamen Sondersitzung folgender Gremien vorgestellt:
- Ausschuss für Umwelt und Technik
- Unterausschuss Konzessionsvergabe des Verwaltungsausschusses
- Zu dieser Sitzung wird ebenfalls eingeladen:
- Aufsichtsrat der Stadtwerke Stuttgart GmbH
- Entstehende Sach-, Rück- und Verständnisfragen können in einem nach der o. a. Sitzung stattfindenden, zeitlich ausreichenden Prozess mit dem Gutachter erörtert werden. Als Teilnehmer eingeladen sind hierzu die Mitglieder der o. a. Gremien.
- Aufgrund der Erkenntnisse, die aus dem zuvor beschriebenen Vorgehen gewonnen wurden, erstellen die Verwaltung und die Stadtwerke Stuttgart ein Angebot für den Erwerb der Trinkwasserversorgungsanlagen.
Stellungnahme zum Antrag vom 19.12.2014
Die Stellungnahme zum Antrag wurde zurückgestellt, da die Verhandlung zur Klage der LHS gegen die Netze BW GmbH (vormals EnBW Regional AG) vor dem Landgericht Stuttgart abzuwarten war und die rechtliche Einschätzung des Gerichts bei der weiteren Vorgehensweise zu berücksichtigen ist.
Gegenstand der Klage ist die Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe des Wasserversorgungsvermögens und Feststellung der Wertermittlungsgrundsätze. Das Gericht bejahte den Anspruch der LHS auf Übertragung des Wasserversorgungsvermögens. Dieser besteht nicht nur aus der Nutzungsüberlassung, sondern ist auf eine Übertragung gerichtet. Bei gemischt genutzten Anlagen ist der Netze BW GmbH ein Nutzungsrecht einzuräumen.
Darüber hinaus legte die Kammer die Auffassung zur Frage einer angemessenen Vergütung für das herauszugebende Wasserversorgungsvermögen dar. Grundsätzlich stelle der Sachzeitwert des herauszugebenden Wasserversorgungsvermögens die Gegenleistung dar. Jedoch sei die Gegenleistung auf den sogenannten subjektiven Ertragswert begrenzt. Gegenüber der Wertermittlung bei dem objektiven Ertragswert sind bei dem subjektiven Ertragswert individuelle Besonderheiten und Synergieeffekte bei der Durchführung der Wasserversorgung durch die LHS zu berücksichtigen.
Die Kammer schlug den Beteiligten mit Nachdruck vor, auf der Grundlage der geäußerten rechtlichen Einschätzungen die außergerichtlichen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Hierzu sollten die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens beantragen. Die Netze BW GmbH wird sich bis zum 31. Januar 2015 zu dem Vorschlag des Gerichts äußern. Im Hinblick auf die Ermittlung eines angemessenen Werts ist eventuell ein Schiedsgutachten von den Beteiligten gemeinsam zu beauftragen. Im Rahmen der Ermittlung eines subjektiven Ertragswerts muss der Gutachter den technischen Zustand des Wasservermögens beurteilen. Der technische Zustand der Anlagen hat Einfluss auf die Instandhaltungsaufwendungen und wird daher mittelbar bei der Wertfindung berücksichtigt.