Polizeieinsatz am 1. Mai 2024 aufklären – Konzept zur Deeskalation entwickeln

Wir beantragen einen Bericht der Verwaltungsspitze und / oder der Ordnungsbehörde in der übernächsten Sitzung des zuständigen Ausschusses nach § 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg zu folgenden Fragen:
1. Wer hat am 1. Mai 2024 entschieden, im Rahmen der Demonstration „Revolutionärer 1. Mai“ – ohne jegliche Ankündigung und Vorwarnung – die Polizeikräfte mit einem massiven Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstrierenden einzusetzen?
2. a.) Wie kam es zu der Aussage im Polizeibericht, es habe vor dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray „Durchsagen“ an die Demonstrierenden gegeben, nachdem diese Seitentransparente ausgerollt haben, obwohl belegbar ist, dass es keinerlei Durchsagen gab?
b) Hat die Polizei ihren Polizeibericht mit der Ordnungsbehörde abgestimmt?
3. Warum hat die Polizei Pferde eingesetzt, während bereits Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die Demonstrierenden eingesetzt wurden?
4. Wer hat bei dem Einsatz den Befehl erteilt die Situation sofort zu eskalieren? Welche Rolle hat die Stuttgarter Ordnungsbehörde bei dem Einsatz gespielt?
5. Warum hat die Stuttgarter Ordnungsbehörde Auflagen zur Länge von Seitentransparenten erlassen, obwohl diese Praxis in keiner anderen Stadt am 1. Mai bei Demonstrationen erlassen wurde?
Darüber hinaus beantragen wir:
6. Die Ordnungsbehörde erarbeitet gemeinsam mit der Polizei ein Konzept zur Deeskalation künftiger Kundgebungen, insbesondere bei Demonstrationen am 1. Mai, am internationalen Frauentag 8. März und für Kundgebungen die sich gegen Rechtsextremismus wenden.

Begründung:
Einmal mehr ist Stuttgart bundesweit in die Schlagzeilen geraten wegen einer Demonstration zum 1. Mai, bei der es zu massiver Gewaltanwendung von Seiten der Polizei kam. Die Polizei vermeldete 167 Festnahmen und nach Angaben der Polizei selbst 25 verletzten Polizeibeamt:innen. Die 97 Verletzten Demonstrierenden erwähnte die Polizei mit keinem Wort. Als der Demonstrationszug in die Tübinger Straße einbog, „entrollten [Demonstrierende] Banner, die in Stofftaschen mitgeführt wurden. Die Banner wurden entgegen der verfügten Auflagen seitlich um die zirka 150 Personen umfassende Gruppe gehalten“, wie die Polizei in ihrer Pressemitteilung vom 1. Mai 2024 schrieb. In der Folge stoppten Polizeikräfte den Demonstrationszug und gingen ohne Vorwarnung mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstrierenden vor. Die Polizei berichtete, sie habe „mittels Lautsprecherdurchsagen mehrfach auf die Einhaltung der von der Versammlungsbehörde erlassenen Auflagen hinweisen“ müssen. Nach Recherchen der Kontext:wochenzeitung finden sich jedoch für die Behauptung der Polizei, sie habe mehrfach Lautsprecherdurchsagen gemacht, keine stichhaltigen Belege.
Ebenso unverständlich war der Einsatz von Polizeipferden in jener Situation, in der bereits von Polizeikräften Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt wurden. Ein polizeiliches Bemühen um eine Deeskalation war nicht erkennbar.
Das Bemühen von Seiten der Kommunalpolitik, Demonstrationen im Nachgang aufzuarbeiten und daraus zu lernen, wird von der Stuttgarter Verwaltungsspitze eiskalt ignoriert. Unser Antrag „Unverhältnismäßigen Polizeieinsatz am 1. Mai 2023 aufklären“ (Nr. 136/2023) liegt auch nach über einem Jahr unbeantwortet auf den Schreibtischen der Zuständigen in den Amtsstuben. Selbst der Verweis auf die Gemeindeordnung und das Recht der Fraktionen, ihre Anliegen auf die Tagesordnung des Gemeinderats zu setzen, wird von der Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Frank Nopper und dem zuständigen Bürgermeister für Sicherheit, Clemens Maier schlicht übergangen.
Es ist jetzt dringend geboten, dass die Ordnungsbehörde und die Verwaltungsspitze ein Konzept erarbeitet, wie Demonstrationen, insbesondere am 1. Mai, am 8. März und im Rahmen von Protesten gegen Rechtsextremismus deeskalierend von den Sicherheitsbehörden begleitet werden können. Der reine Verweis auf „Auflagenverstöße“, die als Rechtfertigung für übermäßige Polizeigewalt angeführt werden, sind nicht tragfähig – zumal bei den sogenannten „Querdenken-Demos“ im April 2021 massenhaft gegen Auflagen verstoßen wurde, ohne dass Polizeikräfte auch nur im Ansatz durchgegriffen, geschweige denn mit Gewalt reagiert hätten.