Abholzen an der Panoramabahn – Platz für Eidechsen auf Kosten der dort bereits lebenden Tiere und Pflanzen?

Wir fragen:

  1. Wie viele Bäume werden als Kompensation für das großflächige Abholzen entlang der Panoramabahn gepflanzt und an welchen Standorten?
  2. Waren die Fällungen im Landschaftsschutzgebiet nach §24 Bundesnaturschutzgesetz rechtmäßig?
  3. Dienten die Fällungen nach Ansicht der Verwaltung tatsächlich einzig der Verkehrssicherheit auf den betroffenen Abschnitten? (Gemäß unserer in Augenscheinnahme bestehen dazu berechtigte Zweifel.)
  4. Hat die Verwaltung Kenntnisse davon, dass entlang der Panoramabahn bereits streng geschützte Eidechsenarten leben?
  5. Waren die Baumfällungen entlang der Panoramabahn im Sinne des § 44 Bundesnaturschutzgesetz rechtmäßig, wo doch hier explizit festgehalten ist, dass es verboten ist, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören?
  6. Waren die Baumfällungen entlang der Panoramabahn im Sinne des39 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (Es ist verboten (…) Flächen so zu behandeln, dass die Tier- oder Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt wird) rechtmäßig?
  7. Was passiert mit den abgeholzten Bäumen und Sträuchern, die – Stand 17. Februar 2021 – an den Hängen entlang der Panoramabahn liegen?
  8. Wurde die Stadt im Vorfeld über die Fällungen informiert?
  9. Wie bewertet das Amt für Umweltschutz und die Abteilung Stadtklimatologie die Rodung entlang der Panoramabahn unter den Gesichtspunkten Klimaanpassung, Klimaschutz und Frischluft?
    a) Wie bewertet die Abteilung Umwelt- und Naturschutz die Rodung unter Aspekten des Tier- und Artenschutzes auch im Hinblick auf die Maßnahmen innerhalb eines Landschaftsschutzgebiets?
  10. Gedenkt die Bahn AG die, durch die Abholzung sichtbar gewordene, teilweise starke Vermüllung entlang der Panoramastrecke etwas zu unternehmen?
  11. Ist eine Umsiedlung von schätzungsweise 4350 streng geschützten Eidechsen in das Gelände entlang der Panoramabahn mit dem Bestand der bereits dort lebenden Eidechsen vereinbar?
  12. Wenn die 4350 Eidechsen an die Panoramabahn umgesiedelt werden – wer wird sich darum kümmern, dass das Habitat gepflegt und erhalten bleibt?
  13. Hat die Stadt Stuttgart Stellungnahmen gegenüber dem Regierungspräsidium und dem Eisenbahnbundesamt (EBA) bezüglich der Fällungen abgegeben?

Wir beantragen:

Eine umgehende Kontrolle der Abholzungen unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Wurden Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimeter rechtswidrig gefällt?
  • Waren die Fällungen innerhalb des Landschaftsschutzgebiets rechtmäßig?
  • Eignen sich die gerodeten Flächen für die Ansiedlung von streng geschützten Eidechsenarten?

Begründung:

In der laufenden Fällperiode bis Ende Februar 2021 wurden allein von der Stadt Stuttgart bereits über 600 Baumfällungen angekündigt. Zwischenzeitlich hat sich die Bahn AG ebenfalls mit großflächigen Abholzungen entlang der Panoramabahn auf unrühmliche Weise hervorgetan. Begründet wird das Abholzen nach Auskunft der Bahn (Presseberichterstattung, Stuttgarter Zeitung vom 16. Februar 2021, S.19) einerseits mit der Verkehrssicherheit, um den Bahnverkehr uneingeschränkt betreiben zu können, andererseits weist die Bahn darauf hin, dass mit dem großflächigen Roden auch Ersatzhabitate für besonders geschützte Eidechsen geschaffen werden sollen. Wo das genau passiert bleibt ebenso offen, wie die Frage, in welcher Form diese Habitate nach der Umsiedlung gepflegt werden sollen.

Zudem war im Rahmen einer Ortsbegehung deutlich zu sehen, dass weit mehr Bäume und Sträucher gefällt wurden, als für die Verkehrssicherheit notwendig gewesen wäre. Ebenfalls auffällig war, dass mindestens drei Bäume gefällt wurden, deren Stammumfang deutlich über 80 Zentimeter lag (100, 90 und 90) – deren Standorte waren im Bereich der Köllestraße (zwei Bäume) im Stuttgarter Westen und entlang des Blauen Weges (ein weiterer Baum). Zumindest am Standort Köllestraße gilt die Baumschutzsatzung, die vorsieht, dass Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimeter in einem Meter Stammhöhe nicht gefällt werden dürfen. Da dies auf Grund der erfolgten Fällungen nicht mehr exakt nachweisbar ist, muss hier eine Kontrolle durch die Stadt erfolgen, zumal es mit gemessenen Umfängen von 100 und zwei Mal 90 Zentimeter deutliche Hinweise darauf gibt, dass hier von Seiten der Bahn AG rechtswidrig abgeholzt wurde.

Zudem liegt der Abschnitt der Panoramabahn entlang des Blauen Weges in einem Landschaftsschutzgebiet nach §26 Bundesnaturschutzgesetzt (BNatSChG). In Absatz 2 des genannten Paragraphen steht: „In einem Landschaftsschutzgebiet sind (…) alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.“ Ob diesem Grundsatz angesichts des massiven Einschlags Genüge getan wurde ist mehr als fraglich. Unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen sind Abholzungen in derart massiver Form kein Beitrag zum Erhalt der grünen Infrastruktur sowie dem Erhalt von Frischluftproduktions-Biotopen.

Das zweite Ziel, Ersatzhabitate für Eidechsen zu schaffen steht offenbar im Zusammenhang mit dem S21 Projektabschnitt 1.6b, dem geplanten Abstellbahnhof in Untertürkheim. In der Stellungnahme der Stadt Stuttgart (GRDrs 586/2019) wurde deutlich: „Die naturschutzrechtliche Eingriffs-/Ausgleichsbilanz weist ein deutliches Defizit aus.“ Dieses soll jetzt offenbar durch massives Abholzen entlang der Panoramabahn ausgeglichen werden – allerdings war in der Stellungnahme der Stadt nichts davon zu lesen, dass die Eidechsen an die Panoramabahn umgesiedelt werden sollen. Vielmehr stellte die Verwaltung fest: „Die LHS erwartet vor dem Hintergrund der gemeinderätlichen Beschlüsse, dass bei Eingriffen in Natur und Landschaft im Stadtgebiet auch die Wohlfahrtswirkungen von landschaftspflegerischen Kompensationsmaßnahmen im Stadtgebiet realisiert werden müssen, von der Vorhabenträgerin als Projektpartnerin nunmehr, diese Flächenvorschläge aufzugreifen und zu realisieren. Sollte die Vorhabenträgerin Interesse daran haben, diese Maßnahmen nicht selbst zu planen und zu realisieren, ist die LHS gerne bereit darüber dahingehend zu verhandeln, dass die LHS die Maßnahmen im Auftrag und auf Kosten der Vorhabenträgerin realisiert und unterhält.“

Im April 2019 referierte das Amt für Umweltschutz: „Beim noch zu genehmigenden Abstellbahnhof in Untertürkheim müsse die Deutsche Bahn mit weiteren Eidechsen umgehen. Was die Bahn beim Eisenbahnbundesamt hierzu beantragt habe, wisse die Stadt nicht.“ Ebenso klar war die Einschätzung des Amts für Umweltschutz zu Stuttgart 21: „Dieses Projekt habe ein Eidechsenproblem“, heißt es im städtischen Protokoll. Knapp zwei Jahre später haben die Verantwortlichen immer noch keine schlüssigen und vor allem umweltverträglichen Lösungen präsentiert.