Foto: Roland Hägele

Ein Baumbestands- und -gesundheitsbericht ist nötig: Die grünen Lungen der Stadt sind in Gefahr!

Angesichts des Klimawandels und von geplanten 414 Baumfällungen im Stadtgebiet Stuttgart bis Ende Februar 2021 (wobei der Wald in dieser Zahl nicht enthalten ist!), stellen sich dringliche Fragen nach dem Bestand und der Gesundheit unserer Stadtbäume. 149 dieser 414 Bäume haben einen Stammumfang von mehr als 80 Zentimeter – eine Nachpflanzung eines so großen Baumes braucht Jahrzehnte, wenn er die gleichen positiven Effekte für das Stadtklima erreichen soll.

Wir beantragen deshalb:

Die Verwaltung legt dem Gemeinderat künftig in einem regelmäßigen Turnus (mindestens alle zwei Jahre) einen Baumbestands- – und Baumgesundheitsbericht vor.

Der erste Baumbestands – und -gesundheitsbericht soll möglichst vor der Sommerpause 2021 erfolgen, um bezüglich der Haushalts- und Stellenplanberatungen ggf. notwendige Maßnahmen ergreifen zu können.

 

In diesem Zusammenhang bitten wir darum, folgende Fragestellungen aufzunehmen und bis spätestens mit der Vorlage des Baumbestands- und -gesundheitsberichts vor der Sommerpause 2021 beantworten:

  1. Wie entwickelt sich der Stadtbaumbestand in den Stuttgarter Bezirken zwischen 2010 und 2025?
  2. Wie viele Stadtbäume wurden auf dem Stadtgebiet in den letzten zehn Jahren gefällt?
    (Bitte differenzierte Antwort nach Gründen: Für Bauten, für Verkehrswege, wg. Krankheit durch Umweltfaktoren/Hitze-/Trockenheitsstress/Pflegerückstand)
  3. Wie viele Stadtbäume wurden auf dem Stadtgebiet in den letzten zehn Jahren gepflanzt und wie ist es heute um die Vitalität dieser Bäume bestellt?
  4. In diesem Zusammenhang bitten wir um eine Einschätzung, wie sich klimaresiliente Baumarten in der Stadt entwickeln.
  5. Wie hat sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Stadtbäume in den bestehenden Grünsanierungsgebieten entwickelt?
  6. Wie viele Anträge auf Erlaubnis zur Fällung von Bäumen auf Privatgrund wurden in den letzten zehn Jahren gestellt, wie viele bewilligt?

In diesem Zusammenhang bitten wir um eine Einschätzung des Gesundheitszustands des Baumbestands auf Privatgrundstücken.

  1. Wie ist es um die Gesunderhaltung und Pflege der Stadtbäume bestellt? In diesem Zusammenhang bitten wir auch um exemplarische Darstellung anhand des Stadtbezirks Vaihingen, wo in der anstehenden Fällperiode bis 28. Februar 2021 124 Bäume abgeholzt werden sollen (Pressemitteilung vom 09.12.20) und warum keine Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Bäume möglich sind.
  2. Welche Untersuchungen werden an den Stadtbäumen genau gemacht? Wie viele Saftstrommessungen hat die Stadtverwaltung selbst gemacht, wie viele an Fremdfirmen vergeben? In wie vielen Fällen wird lediglich Sichtkontrolle durchgeführt?
  3. Wie hoch beziffert das Referat T die absehbaren Stellen- und Sachmittelbedarfe zur Gesunderhaltung der Stadtbäume – insbesondere unter der Prämisse gemäß GRDrs 975/2019, dass künftig jedes Jahr 500 Stadtbäume hinzukommen sollen? In diesem Zusammenhang bitten wir darzustellen:
  • Wie unter Berücksichtigung des Nachbarrechtsgesetzes Baden-Württemberg (insbesondere §16) die anvisierte Zahl von 500 Stadtbaumstandorte pro Jahr (GRDrs 975/2019) realisiert werden kann
  • An wie vielen Orten können nach den geplanten Fällungen bis zum 28. Februar 2021 im Stadtgebiet erneut Stadtbäume nachgepflanzt werden? An wie vielen Orten in unmittelbarer Nähe der gefällten Bäume?

 

Zusätzlich bitten wir um schriftliche Stellungnahme zu folgenden Fragen:

  1. Wie wurde die Projektskizze „5.000 Bäume für S21“ aus dem Jahr 2010 weiterentwickelt?
  2. Wie viele Bäume wurden im Stadtgebiet in Zusammenhang mit Baumaßnahmen zu Stuttgart21 bislang gefällt?
  3. Wann legt die Verwaltung die im letzten Doppelhaushalt beschlossene Ausweitung der Baumschutzsatzung auf das gesamte Stadtgebiet zur Abstimmung vor?

In diesem Zusammenhang bitten wir um Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Satzung, damit der Baumbestand verbindlicher geschützt werden kann.

  1. Wurden die im Stellenplan geschaffenen Planstellen im Zusammenhang mit der Baumschutzsatzung und der Baumpflege zwischenzeitlich besetzt?
  2. Wie ist der Stand der Umsetzung der Stadtbaum-relevanten Maßnahmen im laufenden Doppelhaushalt (insb. im Hinblick auf unseren Antrag 642/2019)?
  3. Welche Vorschläge unterbreitet das Amt, damit die Bevölkerung stärker in die Pflege des Baumbestands eingebunden werden kann (z.B. Baumpatenschaften, Wässerung, Umweltbildung von Kindern)

Begründung:

Stadtbäume haben eine herausragende Bedeutung in der Klimaanpassung: Sie reinigen die Umgebungsluft von Schadstoffen, verbessern das Bioklima, spenden Schatten und Verdunstungskühle an heißen Sommertagen. Bäume mildern Extremwetterereignisse ab und sorgen für Lebensqualität in Städten, da sie mit ihren Eigenschaften die Wohnumfeldqualität verbessern, Straßenräume aufwerten und Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten. Es liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse, den vorhandenen Baumbestand zu hegen und zu pflegen, und ihn im Hinblick auf ein sich rasant veränderndes Stadtklima weiterzuentwickeln.

Die Hamburger Studie „Entwicklungskonzept Stadtbäume“ warnt: Heute neu gepflanzte Stadtbäume haben eine bis zu 50 Prozent niedrigere Lebenserwartung als früher. Das heißt im Umkehrschluss: Eine Baumpflegestrategie tut Not – Fällungen sollten die absolute Ausnahme darstellen. 10.000 Straßenbäume wurden in 2020 über 9 Monate vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt gewässert. Teilweise musste die Feuerwehr zur Unterstützung anrücken. Personell ist das nur im Schichtbetrieb möglich, mit den vorhandenen Planstellen und Fahrzeugbestand jedoch kaum zu leisten.

Zum Schutz des Baumbestands war die Ausweitung der Baumschutzsatzung auf das gesamte Stadtgebiet ein entscheidender Schritt. Diese wurde im laufenden Doppelhaushalt auf Antrag unserer Fraktion mehrheitlich beschlossen, jedoch bis zum heutigen Tage noch nicht umgesetzt.

Angesichts der Tatsache, dass 149 von zur Fällung vorgesehenen 414 Bäumen einen Stammumfang von mehr als 80 Zentimeter haben und eine Nachpflanzung eines so großen Baumes Jahrzehnte braucht, wenn er die gleichen positiven Effekte für das Stadtklima erreichen will, erschließt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Baumbestands-und Gesundheitsberichts unmittelbar.

Im Rahmen eines regelmäßigen Baumbestands- und Gesundheitsberichts kann die Verwaltung zur Vitalität und Stadtbaum-Strategie berichten, aber auch Bedarfe aufzeigen.