Gab es eine unzulässige Einflussnahme des Kanzleramts auf den Aufsichtsrat der Bahn, als im Jahr 2013 über den Weiterbau von Stuttgart 21 entschieden wurde? Die neueste Offenlegung von bislang geschwärzten Stellen zeigt: ja!
Dr. Eisenhart von Loeper kämpft seit Jahren für die Offenlegung der Entscheidungsprozesse bei Stuttgart 21. Mit seinem jüngsten juristischen Erfolg erzwang der Jurist eine weitere Entschwärzung von Vermerken in Unterlagen des Kanzleramts. Aus den Unterlagen geht hervor, dass Staatssekretär Michael Odenwald die Wirtschaftlichkeit des Bahnprojekts kritisch sah. Immer weiter steigende Kosten veranlassten den Beamten dazu, bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung der Bahn im Frühjahr 2013 „auf einen Ausstieg aus dem Projekt zu drängen“, wie aus den Unterlagen hervorgeht. Kanzlerin Angela Merkel startete damals eine Offensive mit der Botschaft: Stuttgart 21 wird gebaut, auch wenn es für die Bahn unwirtschaftlich ist.
Die neuesten Enthüllungen zeigen: der Widerstand gegen das Projekt kam aus dem Verkehrsministerium. Dessen Vertreter im Aufsichtsrat der Bahn, Staatssekretär Michael Odenwald, wurde bis Mitte Februar 2013 auf die gewünschte politische Linie gebracht. Vornehmliches Ziel des Kanzleramts war es „das Scheitern des Projekts auf der Zeitschiene zu verhindern“, wie die jetzt öffentlichen Vermerke zeigen. Die Schulden der Bahn sollten auf zehn Jahre gestreckt werden um zu kaschieren, dass sich die Bahn mit dem Weiterbau schädigt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: die politische Einflussnahme auf den Weiterbau von Stuttgart 21 ist belegt, dies stellt einen doppelten Rechtsbruch dar: Zum einen darf das Kanzleramt nicht politisch motiviert in eine solche Entscheidung eingreifen, zum anderen wird so ein unwirtschaftliches – und somit rechtswidriges – Projekt zu Lasten der Allgemeinheit weiter betrieben.
Eine weitere Klage wird demnächst vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt: Das zweite Stuttgarter Bürgerbegehren wird am 14. Juni in Leipzig verhandelt. Wenn das oberste Verwaltungsgericht die Mischfinanzierung von S21 für verfassungswidrig erklärt, wären alle projektbezogenen Verträge ungültig und nichtig. Somit müsste die Stadt Stuttgart aus dem Projekt zurücktreten. Die vorherigen Instanzen haben die Finanzmittel der Stadt für zulässig gehalten, weil die sich Bundesaufgabe für das Schienennetz mit der kommunalen Planungshoheit überschneiden würden. Ob diese Sichtweise auch vor dem Bundesverwaltungsgericht bestand hat? Wir bleiben dran!
Eine Dokumentation der S21-Prozesse findet sich unter: www.strafvereitelung.de